Der OGH hat in seiner Entscheidung zu 6Ob151/12t über Rechtsfragen die Gewährleistung betreffend entschieden.
Sachverhalt
Am 23. 11. 2009 kaufte der Kläger, ein erfahrener Straßenmotorradfahrer, von der beklagten GmbH ein Motorrad der Type Ducati MTS 1200 S um 19.800 EUR. Das Motorrad wurde am 5. 5. 2010 übergeben, am 20. 5. 2010 ließ der Kläger bei der Beklagten ein 1.000-Kilometerservice durchführen. Am 24. 6. 2010 erlitt der Kläger mit dem Motorrad einen Verkehrsunfall, bei dem am Fahrzeug Totalschaden entstand und er selbst verletzt wurde.
Die Schraube des Schlauchbinders, der den Kühlmittelschlauch mit dem Anschluss an den Motor des Motorrads verbindet, war schon bei der Auslieferung an die Beklagte um zwei Umdrehungen zu schwach angezogen. Bei der Beklagten wurde an dieser Schraube nichts verändert.
Nach dem Service absolvierte der Kläger zwei weitere Ausfahrten im Ausmaß von einmal 500 und einmal 300 Kilometern. Bei der dritten Ausfahrt stürzte der Kläger in einer bergabwärts verlaufenden Linkskurve bei einer Geschwindigkeit von 80 bis 100 km/h, nachdem sich die Schlauchverbindung des Kühlmittelschlauchs gelöst und das austretende Kühlmittel den Hinterreifen benetzt hatte. Das Motorrad erhielt einen leichten Drehimpuls und rutschte mehr oder weniger gerade in die Leitplanke.
Rechtlicher Zusammenhang
Das sich aus § 932 Abs 2 ABGB ergebende Wahlrecht zwischen Verbesserung und Austausch in Umsetzung von Art 3 Abs 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter kommt dem Übernehmer zu. Nach ausgeübter Wahl des Übernehmers liegt es aber am Übergeber, sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten zu berufen, also die Einrede der Unverhältnismäßigkeit zu erheben, wenn er den Übernehmer auf den anderen primären oder die sekundären Gewährleistungsbehelfe verweisen will.
Rechtssatz
Das der für den Übergeber mit dem Austausch verbundene unverhältnismäßig hohe Aufwand gerade durch den Mangel, für den der Übergeber einstehen muss, verursacht worden ist, spricht für die Möglichkeit des Übernehmers, den Austausch zu verlangen.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 932 Abs 2 ABGB kann der Übernehmer zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre.
Der Kläger hat sich – wie sich aus seinem Klagebegehren ergibt – für den Austausch entschieden.
Davon abgesehen steht gar nicht fest, ob die „Verbesserung“ dergestalt, dass am Wrack des Motorrads die Schlauchverbindung zwischen Kühlmittelschlauch und Motor wiederhergestellt und fest verschraubt wird, überhaupt möglich ist. Möglicherweise ist das Wrack nämlich durch den Unfall derart deformiert oder zerstört, dass diese „Verbesserung“, die in der Tat sinnlos wäre, nicht mehr durchgeführt werden kann.
Die Möglichkeit des Übernehmers, hier den Austausch zu verlangen, erweist sich auch aus folgenden Gründen als sachgerecht: Mangelhaft war hier nicht bloß die Schlauchverbindung, sondern die ganze Sache „Motorrad“. Der (möglicherweise) für den Übergeber mit dem Austausch verbundene unverhältnismäßig hohe Aufwand (der hier durch den Totalschaden am Motorrad entstanden wäre) bestünde nicht zufällig und wäre auch nicht etwa durch ein Verschulden des Übernehmers, sondern gerade durch den Mangel, für den der Übergeber einstehen muss, verursacht worden.
Der geltend gemachte Austauschanspruch nach § 932 Abs 2 ABGB besteht daher zu Recht. Ob der Anspruch auch aus dem Titel des Schadenersatzes zu Recht besteht, muss nicht mehr geprüft werden.
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Ihr Dr. Thomas Mildner
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