Der OGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob dem überlassenen Arbeiter auf für den letzten Tag der Woche ein Taggeld zusteht, wenn er an diesem Tag nach Hause fährt. Anzuwenden war der Kollektivvertrag für ArbeiterInnen im Gewerbe der Arbeitskräfteüberlasser.
Der OGH ging in dieser Entscheidung 8 Oba 72/18y vom Jänner 2019 von folgendem Sachverhalt aus:
“Der Kläger war bei der Beklagten, einem in P***** (Oberösterreich) ansässigen Arbeitskräfteüberlasser, von 9. 11. 2016 bis 29. 9. 2017 beschäftigt und während des Arbeitsverhältnisses bei der R***** GmbH in A***** (Oberösterreich) eingesetzt. Zwischen dem Überlasserbetrieb und dem Beschäftigerbetrieb liegt eine Wegstrecke von rund 55 km. Der in Ungarn wohnhafte Kläger bezog unter der Woche in Oberösterreich Quartier. Am letzten Arbeitstag der Woche – für gewöhnlich einen Freitag – reiste er nach Arbeitsschluss jeweils nach Hause nach S*****, welches sowohl vom Betrieb des Beschäftigers als auch jenem des Überlassers mehrere hundert Kilometer entfernt ist. Für den letzten Arbeitstag der Woche wurde dem Kläger von der Beklagten jeweils kein Taggeld bezahlt.”
Der Kläger begehrte:
“[…] Jeweils für den letzten Arbeitstag der Woche das Taggeld von insgesamt 871,20 EUR samt Zinsen. Die Bestimmung Abschnitt VIII Kapitel B Punkt 12 des Kollektivvertrags stelle ausschließlich darauf ab, dass der Wohnort des Arbeitnehmers mehr als 120 Kilometer vom Beschäftigerbetrieb entfernt ist, in dem der Arbeitnehmer überlassen wird, nicht hingegen auf die Erforderlichkeit einer Nächtigung außer Haus. Da die Entfernung zwischen dem Wohnort des Klägers in Ungarn und dem Beschäftigerbetrieb 120 Kilometer bei weitem übersteige, gebühre auch für den letzten Arbeitstag der Woche jeweils das Taggeld.”
Der Arbeitgeber / Überlasser wendete ein:
“Beim Kläger handle es sich um einen „klassischen Wochenpendler“, der regelmäßig am letzten Arbeitstag der Woche nach Hause fahre, weshalb an diesem Tag auch keine Nächtigung mehr auswärts stattfinde. In einem solchen Fall stehe dem Arbeitnehmer kein „großes“ Taggeld mehr zu […]. Die Bestimmung Abschnitt VIII Kapitel B Punkt 12 des Kollektivvertrags sei gegenständlich nicht anwendbar, zumal es sich aus Sicht der Beklagten als Überlasserbetrieb um keine Entsendung in einen weit entfernten Beschäftigerbetrieb handle, liege doch zwischen dem Überlasserbetrieb und dem Beschäftigerbetrieb nur eine Wegstrecke von rund 55 Kilometer vor […].”
Der OGH Entschied:
“[…] Beim in Abschnitt VIII KVAÜ für auswärtige Arbeiten geregelten Taggeld handelt es sich – wie aus Abschnitt X und Abschnitt XIV Punkt 2 lit g ersichtlich – um eine Aufwandsentschädigung (8 ObA 44/15a [in Punkt 3.]; VwGH 2013/08/0103 = ARD 6507/9/2016). Als solche dient es der pauschalen Abdeckung des finanziellen Aufwands des Arbeitnehmers, den dieser dadurch hat, dass er den Tag auswärts verbringen muss, so insbesondere auch, dass er gezwungen ist, sich auswärts – und damit typischerweise teurer als in seinem gewöhnlichen Umfeld – zu verpflegen […]
Zwar macht dessen Satz 1 sowohl das Tag- als auch das Nächtigungsgeld davon abhängig, dass die Entfernungsvoraussetzung erfüllt und zudem „eine Nächtigung angeordnet“ wurde. Dabei verlangt Satz 1 aber nicht, dass sich die Anordnung der Nächtigung auf die kommende Nacht bezieht. Es reicht daher aus, dass die Nächtigung vom vorletzten auf den letzten Tag der Arbeitswoche angeordnet war (oder die Nächtigung vom vorletzten auf den letzten Tag der Arbeitswoche jedenfalls im Sinne des Satzes 5 der Bestimmung tatsächlich erfolgte).
[…] Aus der Bestimmung Abschnitt VIII Kapitel A Punkt 2 Satz 3 KVAÜ ergibt sich nichts Gegenteiliges. Diese ordnet an, dass den Arbeitnehmer ein Tagesgeld von täglich 26,40 EUR gebührt, wenn die Beschäftigung außerhalb des ständigen Betriebs eine Nächtigung außer Haus erfordert oder eine solche angeordnet wird. Auch der Wortlaut jener Bestimmung verlangt nicht, dass die Nächtigung dem Tag, für den das Tag(es)geld verlangt wird, nachfolgt, vielmehr deutet das Wort „täglich“ darauf hin, dass auch für den letzten Tag der Arbeitswoche das Tagesgeld gebührt. Aus der Verwendung der Worte „pro Arbeitstag“ bzw „täglich“ in Abschnitt VIII Kapitel A Punkt 2 KVAÜ im Unterschied zu Abschnitt VIII Kapitel B Punkt 12 KVAÜ kann, zumal beide Bestimmungen gänzlich anders formuliert sind, nicht geschlossen werden, dass einem vom Überlasser entsendeten Arbeitnehmer für den letzten Arbeitstag der Woche kein Taggeld zustehe.
[…] Dass bei einer Nächtigung von einem Arbeitstag auf einen anderen Arbeitstag, an dem sodann nach Dienstschluss die Heimreise angetreten wird, für die Nächtigung das Nächtigungsgeld und für beide Arbeitstage das Tag(es)geld gebührt, ist im Übrigen allgemeine Auffassung zum Tagesgeld nach § 26 Z 4 EStG 1988 von höchstens 26,40 EUR, an welcher Bestimmung sich die zu beurteilende Kollektivvertragsbestimmung der Höhe nach orientiert […].”